Die Amniozentese, auch Fruchtwasseruntersuchung genannt, kann in verschiedenen Situationen empfohlen werden. Dazu gehören z.B. ein auffälliger NIPT, familiäre Vorbelastungen mit bestimmten Erkrankungen oder Fehlbildungen, auffällige Befunde aus Ultraschall- oder Blutuntersuchungen während der Schwangerschaft oder spezielle Wünsche der Patientin, etwa bei ausgeprägten Ängsten. Es ist jedoch wichtig, die Risiken des Eingriffs sorgfältig gegen den möglichen Nutzen abzuwägen.Durch die Amniozentese können bestimmte Erkrankungen oder Fehlbildungen des Embryos bereits in einem frühen Stadium der Schwangerschaft erkannt oder ausgeschlossen werden. Die Ergebnisse können Ihnen helfen, frühzeitig Klarheit zu gewinnen und mögliche Sorgen zu reduzieren. Beachten Sie jedoch, dass nachgewiesene genetische Schäden nicht heilbar sind und eine Behandlung lediglich auf die Linderung von Symptomen abzielen kann. Daher haben Sie Anspruch auf eine psychosoziale Beratung, die Ihnen Ihre Ärztin oder Ihr Arzt vermitteln kann. Wir stehen Ihnen in dieser Situation beratend zur Seite und können bei Bedarf Kontakte zu Kinderärzten, Sozialberatungsstellen, Behindertenverbänden oder Selbsthilfegruppen herstellen. Sollten Sie einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen, werden wir Sie auch hierbei umfassend und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten unterstützen.Die Amniozentese kann ab der 15+0 Schwangerschaftswoche bis zum Ende der Schwangerschaft durchgeführt werden. Eine Frühamniozentese (vor der 15. SSW) ist mit einem deutlich höheren Risiko für eine Fehlgeburt verbunden und wird nach aktuellen medizinischen Empfehlungen nicht empfohlen. Ob eine Amniozentese sinnvoll ist, hängt von der individuellen Fragestellung und den Zielen der Untersuchung ab.
Recht auf Nichtwissen: Sie haben das Recht, die Ergebnisse der genetischen Untersuchungen oder Teile davon nicht zur Kenntnis zu nehmen und vernichten zu lassen (Recht auf Widerruf), ohne dass Ihnen daraus Nachteile entstehen.
Was kann erkannt werden?
Die Chromosomenuntersuchung ermöglicht es, bestimmte genetische Störungen, die auf Veränderungen in der Chromosomenstruktur oder -anzahl beruhen, frühzeitig zu erkennen. Dazu zählen beispielsweise Trisomie 13, 18 und 21 (Down-Syndrom). Dabei können auch andere Chromosomenveränderungen entdeckt werden, die gesundheitliche Auswirkungen haben könnten. Bei Verdacht auf eine spezifische Erbkrankheit kann das Erbgut des Kindes mittels DNA-Sequenzanalyse genauer untersucht werden. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht alle genetischen Veränderungen oder Erkrankungen des Kindes durch eine Fruchtwasseruntersuchung erkannt werden können.Bei entsprechendem Verdacht kann auch eine mögliche Infektion des Kindes nachgewiesen werden. Zudem wird bei der Untersuchung das Geschlecht des Kindes festgestellt. Wir können Ihnen das Geschlecht mitteilen, wenn Sie dies wünschen. Bei Verdacht auf geschlechtsspezifische Erbkrankheiten werden wir Sie automatisch über das Geschlecht informieren.Gibt es Alternativmethoden?
Nichtinvasive Pränataltests (NIPT), die bereits in einem früheren Stadium der Schwangerschaft durchgeführt werden können, liefern eine Wahrscheinlichkeitsaussage zu bestimmten Chromosomenauffälligkeiten. Diese Tests analysieren genetische Fragmente des Embryos, die im mütterlichen Blut zirkulieren. Ein negatives Testergebnis deutet mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass keine Chromosomenanomalie vorliegt. Ein positives Ergebnis sollte jedoch durch eine Chorionzottenbiopsie oder eine Amniozentese bestätigt werden.In manchen Fällen kann auch eine Chorionzottenbiopsie zu einem früheren Zeitpunkt der Schwangerschaft oder eine Nabelschnurpunktion bei speziellen Fragestellungen in Betracht gezogen werden. Wir informieren Sie im Aufklärungsgespräch ausführlich über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Methoden.Wie läuft die Untersuchung ab?
Die Amniozentese wird ambulant durchgeführt. Zunächst erfolgt ein Detailultraschall mit Feststellung ob der richtige Zeitpunkt für die Fruchtwasserentnahme gegeben ist. Anschließend wird unter Ultraschallkontrolle eine dünne Hohlnadel (Kanüle) durch die Bauchdecke in die Fruchtblase eingeführt. Dieser Vorgang ist vergleichbar mit einer Blutentnahme und in der Regel nur wenig schmerzhaft. Es werden bis zu 20 ml Fruchtwasser entnommen, das kindliche Zellen enthält. Das Fruchtwasser regeneriert sich anschließend innerhalb kurzer Zeit. In seltenen Fällen kann eine zweite Punktion erforderlich sein.Die im Fruchtwasser enthaltenen kindlichen Zellen werden in einem spezialisierten Labor isoliert und untersucht. Diese Untersuchung kann bis zu drei Wochen in Anspruch nehmen. Andere Tests, wie beispielsweise bei Verdacht auf eine Infektion, liefern oft bereits nach wenigen Tagen Ergebnisse. Ein spezieller Schnelltest, der sogenannte FISH-Test, kann innerhalb kurzer Zeit erste Hinweise auf bestimmte Chromosomenanomalien (z.B. Trisomie 13, 18, 21 oder Geschlechtschromosomenstörungen) liefern. Falls Ihre Blutgruppe Rhesus-negativ ist und es sich um eine Einlingsschwangerschaft handelt, wird Ihnen nach der Untersuchung ein Impfstoff (Anti-D-Prophylaxe) verabreicht, um Rhesus-Unverträglichkeiten bei zukünftigen Schwangerschaften zu vermeiden. Ab der 12. Schwangerschaftswoche besteht jedoch die Möglichkeit, durch eine Blutuntersuchung festzustellen, ob das Kind ebenfalls Rhesus-negativ ist. Sollte dies der Fall sein, kann auf die Gabe des Impfstoffs verzichtet werden.Risiken und mögliche Komplikationen
Die Amniozentese ist ein risikoarmer Eingriff, der in den meisten Fällen ohne Komplikationen verläuft. Dennoch können in seltenen Fällen Zwischenfälle auftreten, die gelegentlich einen stationären Aufenthalt erforderlich machen oder sogar zu einer Fehlgeburt führen können. Die Häufigkeitsangaben dienen als allgemeine Orientierung und sollen helfen, die Risiken abzuwägen. Sie entsprechen nicht den Definitionen für Nebenwirkungen in den Beipackzetteln von Medikamenten. Vorerkrankungen oder individuelle Besonderheiten können das Risiko von Komplikationen beeinflussen.- Fehlgeburt: Es besteht ein geringes Risiko einer Fehlgeburt (0,1 – 0,2 %) durch die Fruchtwasserentnahme. Da in diesem Stadium der Schwangerschaft auch spontane Fehlgeburten aufgrund von Entwicklungsstörungen des Embryos auftreten können, ist es schwierig, eine Fehlgeburt eindeutig auf die Amniozentese zurückzuführen. Verschiedene mütterliche Faktoren wie Bluthochdruck, erhöhtes Alter, vaginale Blutungen, Infektionen, eine Vorgeschichte von mehreren Geburten oder Fehlgeburten, Rauchen oder ein hohes Körpergewicht (BMI > 40 kg/m²) können das Risiko erhöhen. In erfahrenen Zentren ist das Risiko einer Fehlgeburt nach einer Amniozentese jedoch sehr gering.
- Verletzungen des Kindes oder der Nabelschnur: Da die Fruchtwasserentnahme unter Ultraschallkontrolle erfolgt, sind Verletzungen des Kindes oder der Nabelschnur durch die Nadel äußerst unwahrscheinlich.
- Blutungen, Infektionen oder Verletzungen benachbarter Organe: In seltenen Fällen kann es zu Blutungen, Wundinfektionen oder Verletzungen benachbarter Organe kommen. Infektionen an der Punktionsstelle oder in der Gebärmutter können mit Fieber einhergehen und sich im schlimmsten Fall zu einer Sepsis (Blutvergiftung) entwickeln. In solchen Fällen ist eine Antibiotikatherapie erforderlich, um eine Keimverschleppung in die Fruchtblase und eine Infektion des Embryos zu verhindern, die zu einer Fehlgeburt führen könnte.
- Fruchtwasserabgang: Eine auch seltene Komplikation nach der Amniozentese ist der Abgang von Fruchtwasser, der manchmal auch blutig sein kann. In den meisten Fällen ist dies nur vorübergehend, gelegentlich kann jedoch eine medizinische Behandlung erforderlich sein. Ein anhaltender Fruchtwasserabgang kann in seltenen Fällen zu einer Fehlgeburt führen. Zudem reagiert die Gebärmutter oft mit Kontraktionen auf den Eingriff, die jedoch meist schnell wieder abklingen.
- Seelische Belastungen: Die Untersuchung, das Warten auf die Ergebnisse oder die Ergebnisse selbst können seelisch belastend sein und in Abhängigkeit von der individuellen Situation auch zu psychischen Erkrankungen führen.
- Allergische Reaktionen: In sehr seltenen Fällen kann es zu allergischen Reaktionen oder Unverträglichkeiten (z.B. auf Latex oder Medikamente) kommen, die einen akuten Kreislaufschock auslösen können. Solche Reaktionen erfordern intensivmedizinische Maßnahmen und können in sehr seltenen Fällen zu schwerwiegenden, möglicherweise bleibenden Schäden führen.
Wo liegen die Grenzen?
Trotz sorgfältiger Untersuchung und modernster Diagnostik gibt es Grenzen, die bei der Amniozentese zu beachten sind. Auch bei unauffälligen Untersuchungsergebnissen können Entwicklungsstörungen oder Erkrankungen des Feten vorliegen, die im weiteren Verlauf der Schwangerschaft, bei der Geburt oder danach auftreten können. Es ist wichtig zu verstehen, dass keine Methode eine absolute Garantie für die Geburt eines gesunden Kindes bieten kann.In seltenen Fällen können die Laborergebnisse unklar oder nicht aussagekräftig sein, beispielsweise wenn sich die kindlichen Zellen im Labor nicht ausreichend vermehren oder wenn kindliche und mütterliche Blutzellen vermischt wurden. In solchen Fällen kann eine Wiederholung der Untersuchung oder zusätzliche diagnostische Tests, wie Ultraschalluntersuchungen oder eine erneute Amniozentese, erforderlich sein, um ein sicheres Ergebnis zu erzielen.Genetische Beratung
Die Amniozentese wird in den meisten Fällen durchgeführt, um das Erbgut des Kindes zu untersuchen. Seit 2010 regelt das Gendiagnostikgesetz (GenDG) in Deutschland genetische Untersuchungen. Dieses Gesetz verpflichtet die Ärztin oder den Arzt, Sie in einem persönlichen Gespräch über Art, Bedeutung und Tragweite der geplanten Untersuchung aufzuklären. Vor und nach einer genetischen Untersuchung haben Sie Anspruch auf eine genetische Beratung, auf die Sie jedoch schriftlich verzichten können, falls die Ergebnisse unauffällig sind.Sie haben das Recht, selbst zu entscheiden, welche Informationen Sie über die genetische Ausstattung Ihres Kindes erhalten möchten und an wen diese Ergebnisse weitergegeben werden dürfen. Zudem haben Sie Anspruch auf eine psychosoziale Beratung, die Ihnen bei der Verarbeitung der Ergebnisse und bei eventuellen Entscheidungen unterstützen kann.Recht auf Nichtwissen: Sie haben das Recht, die Ergebnisse der genetischen Untersuchungen oder Teile davon nicht zur Kenntnis zu nehmen und vernichten zu lassen (Recht auf Widerruf), ohne dass Ihnen daraus Nachteile entstehen.